Der Sockenabdruck
Gegen Ende der Netflix-Serie „Der Fall Jens Söring: Tödliche Leidenschaft“stellt eine forensische Podologin die Behauptung auf, dass der blutige Sockenabdruck am Tatort höchstwahrscheinlich von mir stammt.
Dies ist nicht wahr!
Die Analyse von Sockenabdrücken ist keine anerkannte forensische Wissenschaft. Sie fällt unter die Kategorie „Junk Science“: Pseudo-Forensik, die den Anschein erweckt, wissenschaftlich zu sein, aber in Wirklichkeit grob irreführend ist.
Chris Fabricant, ein anerkannter Experte auf diesem Gebiet, erscheint kurz zu Beginn von Folge 4 der Netflix-Serie, um genau das festzustellen. Hier sind zwei Artikel zum Thema:
Junk science
Pseudo science
https://www.bostonreview.net/articles/nathan-robinson-forensic-pseudoscience-criminal-justice/
Prof. Brandon Garrett (Duke University) ist Mitautor der führenden Studie über „Junk Science“. Auf den Seiten 71 und 72 seiner Studie erörtert er Sockenabdruck-Analyse als ein Paradebeispiel der forensischen Pseudowissenschaft.
https://www.virginialawreview.org/wp-content/uploads/2020/12/1-2.pdf
Auf Seiten 71 und 72 geht es um den Fall Charles Fain. Er verbrachte 18 Jahre im Todestrakt — nachweislich unschuldig. Der „Forensiker“, der gegen ihn aussagte, war Robert Hallett — derselbe Mann, der in meinem Prozess aussagte.
Die forensische Podologin in der Netflix-Serie macht denselben Fehler wie Robert Hallett: Sie vergleicht einen Sockenabdruck, der in Bewegung gemacht wurde, mit einem Fußabdruck, der im Stehen gemacht wurde. Das ist wie der Vergleich von Äpfeln und Birnen.
Außerdem hat sie keine Informationen über die Art der getragenen Socken. Die Dicke des Gewebes bestimmt, wie viel Flüssigkeit absorbiert wird und wie groß der Abdruck ist.
Schließlich ist die Vorstellung, dass jemand anhand eines so verschmierten Sockenabdrucks identifiziert werden könnte, absurd.
Rick Johnson´s Laborbericht
Am 7. Juni 1985 stellte Rick Johnson—ein Forensiker des gerichtsmedizinischen Institut Virginias—einen Laborbericht aus, in dem er feststellte, dass der oben abgebildete Sockenabdruck einer männlichen Fußgröße von 5 bis 6 entsprach. Ich habe die Fußgröße 8 ½.
Zeugenaussage
Der Sockenabdruck ist fast einen Zentimeter kürzer als mein Fuß. Damit scheide ich als Quelle aus.
Vielleicht ist dies der Grund, warum der Staatsanwalt Rick Johnson nicht als Zeuge in meinem Prozess aufrief. Stattdessen rief er Robert Hallett auf, denn er war bereit, den offensichtlichen Längenunterschied zu erklären, indem er behauptete, es habe einen „doppelten Schlag“ der Ferse gegeben.
Aber das ist genau die gleiche Erklärung, die Hallett im Prozess gegen Charles Fain gab, siehe oben.
Hallett im Prozess gegen mich
Hallett im Prozess gegen Charles Fain
Am 29. August 1985 stellte Rick Johnson einen Laborbericht aus, der besagt, dass Elizabeth Haysoms Halbbruder Julian den Sockenabdruck gemacht haben könnte.
Julian Haysom ist an dem Verbrechen völlig unschuldig. Dennoch kann er als Quelle des Sockenabdrucks nicht ausgeschlossen werden. Genau das Gleiche kann man von mir sagen – nicht mehr und nicht weniger.
Den Produzenten der Netflix-Serie lagen die eidesstattlichen Erklärungen zweier anerkannter Forensiker vor, die besagten, der Sockenabdruck
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hätte niemals verwendet werden dürfen, da er zu verschmiert ist, und
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hätte genauso gut von Elizabeth Haysom hinterlassen werden können.
Es ist schwer zu verstehen, warum die Netflix-Produzenten die Gutachten dieser beiden Forensiker völlig ignoriert haben. Eine faire Darstellung hätte alle drei Stimmen umfassen müssen – nicht nur die eine Stimme, die den Netflix-Produzenten ein „interessantes“ Ende ihrer Serie bescherte.
Schließlich hatten die Netflix-Produzenten einen Fußabdruck von Elizabeth Haysom, der genau so gut zum Sockenabdruck am Tatort passte, wie mein Fußabdruck. Mein Anwalt fand diesen Fußabdruck in der Akte von Robert Hallett — allerdings erst nach meinem Prozess, als es zu spät war.